Unterwegs in der Ferienregion.
Der Schneemacher von Savognin
Dezember in Savognin, die Sonne scheint. Im Skigebiet ist schon einiges los, Skifahrer und Snowboarderinnen ziehen vergnügt ihre Schwünge über die Pisten. Kevin Honegger schaut dem Treiben zufrieden zu. Er und seine drei Mitarbeiter haben dafür gesorgt, dass die bereits offenen Pisten eine 40 bis 50 Zentimeter dicke Grundlage aus sogenannt technischem Schnee haben. Diese braucht es, um die Pisten von Weihnachten bis Ostern top präparieren zu können.
Kevin ist Leiter Beschneiung und Herr über 88 Schneilanzen, 24 Propellermaschinen (Schneekanonen), und 12 km Wasserleitungen. Wir treffen ihn auf Somtgant beim «Schneemacherrüümli», das sich hier im Gebäude des 6er-Sessellifts befindet. Der Schneemacher führt uns in den kleinen Raum mit zwei grossen Monitoren, auf denen er die gesamte Beschneiungsanlage überwachen und steuern kann.
«Das sind die Pumpstationen », sagt der engagierte Fachmann und zeigt auf ein komplexes Schema mit Linien, Formen und Farben. «Und hier kann ich jeden einzelnen Schneeerzeuger anwählen. Ich sehe, wie viel Schnee produziert wird, welche Temperaturen und Luftfeuchtigkeit vorherrschen, wie stark der Wind ist und so weiter.»
Kalte und trockene Luft
Die intensive Schneiphase ist mittlerweile vorbei. Der tägliche Skibetrieb läuft, geschneit wird nur noch nachts und an bestimmten Stellen. Im Januar ist die Beschneiung in der Regel ganz abgeschlossen und Kevin beginnt mit seinem Team, die Schneeerzeuger wieder abzubauen. «Wir führen eine sogenannte Grundbeschneiung durch, um auf der Hauptachse gute Bedingungen bis zum Saisonschluss sicherzustellen.
Es geht also nicht darum, Naturschnee zu ersetzen – das wäre weder sinnvoll, noch technisch oder finanziell machbar», erklärt Kevin. Neben einer leistungsstarken Anlage ist das Team vor allem auf das richtige Wetter angewiesen, um schneien zu können. «Entscheidend ist das Verhältnis von Temperatur und Luftfeuchtigkeit – die sogenannte Feuchtkugeltemperatur. Diese muss mindestens -2,5 °C betragen. Kurz gesagt: Wir brauchen kalte Temperaturen, trockene Luft und möglichst wenig Wind.»
Draussen in der Kälte
Je nach Witterungsverhältnissen kann bereits im Oktober geschneit werden, meistens beginnt die intensive Schneiphase ab Mitte November. «Als erstes schneien wir die Piste Martegnas ein. Sobald wir mit den Pistenmaschinen darauf fahren können, stellen wir die mobilen Propellermaschinen Stück für Stück weiter unten auf.» Während dieser Phase sind Kevin und sein Team rund um die Uhr am Berg. Wenn die Schneeproduktion läuft, sind immer zwei Personen vor Ort, um die Anlage zu überwachen.
Dabei sitzen Kevin und sein Team nicht einfach im warmen Schneemacherrüümli und schauen auf die Monitore, sondern sie sind oft draussen in der Kälte unterwegs. «Man sieht vieles am Bildschirm, aber lange nicht alles. Manchmal ist ein Sensor nicht mehr richtig eingestellt. Oder ein Schlauch platzt und Wasser läuft aus. Dann müssen wir schnell handeln, ansonsten gibt es eine Eisplatte.» Deshalb braucht es regelmässige Kontrollen auf der Piste.
Und je nach Wind müssen die Schneeerzeuger neu ausgerichtet werden. «Auch wenn am Compi alles tipptopp aussieht, müssen wir vor Ort sicherstellen, dass der Schnee auch dorthin fliegt, wo wir ihn haben wollen.» Windet es zu stark, müssen die Schneeerzeuger abgestellt werden.
Die ganze Nacht am Berg
Wenn rund um die Uhr geschneit wird, sind die Tage von Kevin lang und intensiv. Er geht jeweils um 20 Uhr auf den Berg und bleibt die ganze Nacht oben. Noch zu Hause studiert er übers Handy die Vorgänge am Berg, um bei einer allfälligen Störung sofort an den entsprechenden Ort zu gelangen. Wenn noch wenig oder kein Schnee liegt, läuft er die Anlage zu Fuss ab, sobald eine zusammenhängende Schneedecke liegt, kann er mit dem Quad ausrücken. Tagsüber sind dann seine Kollegen am Berg. Wenn die Temperaturen passen, wird weiter geschneit; wichtig ist aber auch, den Schnee gut zu verteilen, sowie Tests und allfällige Reparaturen auszuführen.
Der passionierte Schneesportler findet es immer wieder faszinierend, das Resultat zu sehen: «Wir machen den Berg über Nacht weiss, das ist schon ein spezielles Gefühl.» Gleichzeitig betont er: «Aber auch wir Schneemacher lieben es, wenn das Weiss vom Himmel fällt und es über Nacht einen richtigen «Chlapf» Schnee gibt. Wir brauchen den Naturschnee, um das ganze Gebiet öffnen zu können.»
Gekommen, um zu bleiben
Aufgewachsen ist Kevin Honegger in Hombrechtikon im Zürcher Oberland. In seiner Familie war er der Einzige, der begeistert Ski fuhr. Regelmässig auf die Piste ging er darum erst mit 13, 14, als er allein mit Freunden losziehen konnte. Nach der Schule lernte er Landschaftsgärtner und arbeitete sechs Jahre auf dem Beruf. Dann – es war im Sommer 2016 – hatten Kevin und seine Freundin Sarah die Idee, einmal in einem Skigebiet zu arbeiten. Sie verschickten Bewerbungen an verschiedene Gebiete – «auf Jobs, die halt ausgeschrieben waren» – und prompt kam ein Anruf aus Savognin.
Kevin startete im November 2016 als Schneemachergehilfe bei den Savognin Bergbahnen. Während dieser ersten Wintersaison wurde ein Mitarbeiter plötzlich ohnmächtig, ein Notfall! Kevin stand daneben, reagierte instinktiv richtig und leistete Erste Hilfe. Wie das Leben so spielt, fiel genau zu diesem Zeitpunkt ein Pistenpatrouilleur aus – und Kevin wurde angefragt, ob er sich vorstellen könne, auch im Rettungsdienst mitzuarbeiten. «Ich hätte vorher nie daran gedacht, aber es hat mir auf Anhieb gefallen.»
Auch im Rettungsdienst unterwegs
So wurde Kevin neben Schneemacher auch unverhofft zum Pistenretter. Beides gefiel ihm so gut, dass er im nächsten Winter wieder bei den Savognin Bergbahnen anheuerte. Und erneut kam eine Gelegenheit, die Kevin mit Freude ergriff: Eine Jahresstelle wurde frei. Seither hat er sich in beiden Arbeitsbereichen laufend weitergebildet und immer mehr Verantwortung im Betrieb übernommen. Kevin leitet nicht nur die Beschneiung seit mehreren Jahren, sondern ist auch stellvertretender Leiter des Rettungsdienstes. Es ist genau diese Kombination der beiden Jobs, die ihm so gut gefällt.
Hauptsache draussen unterwegs
Auch in der Freizeit ist Kevin so oft wie möglich in der Natur unterwegs. Neben dem Skifahren und Skitouren haben er und seine Freundin das Klettern für sich entdeckt. Diese Leidenschaft gibt Kevin gerne weiter und betreut als J&S-Leiter das Kinderklettern im Surses. «Es macht Spass mit den Kids. Zu sehen, wie schnell sie lernen und Sicherheit gewinnen, ist wirklich cool.» Es muss aber nicht immer Aktivsport sein: «Ich kann sehr gut auch einfach mal entspannen», schmunzelt er.
Der Aufwand lohnt sich
Oben auf Somtgant führt uns Kevin wieder aus dem «Schneemacherrüümli». Wir geniessen die Sonne im Gesicht und schauen den Wintersportlern zu, einige winken Kevin zu. «Wenn ich sehe, wie die Leute Freude haben, weiss ich, der Aufwand hat sich gelohnt» lacht Kevin. «Dann sage ich mir: Hammer, wir habens wieder geschafft, die Pisten rechtzeitig zu präparieren!»
Zum Abschluss noch folgende Fragen an Kevin Honegger:
Ab wann kann beschneit werden?
Entscheidend ist das Verhältnis von Temperatur und Luftfeuchtigkeit – die sogenannte Feuchtkugeltemperatur. Sie muss mindestens –2,5 °C betragen, ansonsten ist eine Beschneiung mit unserer Anlage nicht möglich. Letzten Winter konnten wir dank sehr trockener Luft sogar bei +5 °C beschneien. Zudem darf es nicht zu windig sein, sonst wird der Schnee verweht. Wir brauchen also kalte, trockene und möglichst windstille Perioden.
Ab wann können Pisten geöffnet werden?
Auf der Hauptachse Martegnas-Tigignas muss zwischen 40 und 50 cm Schneedecke liegen, um öffnen zu können. Bei einzelnen Löchern oder Erhebungen variiert dies natürlich. Zuerst wird sehr nasser Schnee produziert, um eine harte Unterlage zu erhalten. Die Skifahrer mögen das nicht so sehr, aber wir brauchen diese Unterlage, da wir mit Pistenmaschinen von bis zu 16 Tonnen darüberfahren. Bei Radons braucht es weniger Schnee auf der Piste, um öffnen zu können.
Schnee ist nicht gleich Schnee...?
Ja, während dem Beschneien wird auch immer die Qualität des Schnees geprüft. Guter Schnee ist, wenn man mit dem produzierten Schnee einen guten, kompakten Schneeball machen kann. Wenn du ihn zusammendrückst, bleibt er kompakt, ist aber auch nicht zu nass. Das prüfen wir vor allem am Anfang immer wieder – bei jedem Schneeerzeuger.
Warum beschneit ihr nicht einfach den ganzen Winter durchgehend?
In Savognin führen wir eine Grundbeschneiung durch, um auf der Hauptachse gute Bedingungen zu sichern. Ziel ist nicht, Naturschnee zu ersetzen – das wäre weder technisch noch finanziell machbar und würde sich wohl auf die Ticketpreise auswirken. Es gilt, eine gute Balance zwischen den Interessen der Schneesportler und dem technisch sowie finanziell Machbaren zu finden.
Wie geht ihr bei der Talabfahrt nach Savognin vor?
Die Talabfahrt liegt mir persönlich am Herzen, ist aber wegen der tiefen Lage und den wärmeren Wintern sehr aufwendig. Viele Gäste nehmen zudem oft die Gondel zum Runterfahren. Aber auch hier suchen wir ein sinnvolles Gleichgewicht. Optimal ist, wenn die Abfahrt bis kurz vor Saisonende hält und danach rasch abschmilzt, damit das Landwirtschaftsland rechtzeitig zurückgegeben werden kann – so entstehen keine Futterausfälle.
Woher stammt das Wasser für die Beschneiung?
Hauptsächlich aus der Julia, sobald Ende Oktober die Flussschwelle montiert ist. Davor nutzen wir das Reservoir Somtgant (3'000 m³), das sich über Sickerleitungen rund um die Talstation der 6er-Sesselbahn und die Bergstation der 10er-Gondel füllt.
Text: Franco Furger und Bettina Bergamin
Fotos: Archiv, Bettina Bergamin
Facts & Figures der technischen Beschneiung in Savognin
Pumpstationen in Savognin, Tigignas & Somtgant, unterirdisches Wasserreservoir in Somtgant 3'000 m³. Ca. 12 km Beschneiungsleitungen. 18 Turmkanonen, 9 mobile Propellermaschinen und 88 Schneelanzen. Ca. 160'000 m³ Wasser und etwa 240'000 m³ Schnee pro Winter. Stromverbrauch p.a. ca. 750'000 KWh. 1 Beschneiungschef und 3 Helfer, variabel je nach Schneesituation im Einsatz.
Was übers Jahr für die Beschneiung gemacht wird
Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Arbeiten während eines Jahres von Planung, Wartung, Aufbau, Betrieb sowie der Pflege der Beschneiungsanlage:
1. Quartal (Januar–März) Ende der Beschneiung und Wegräumen der Schneeerzeuger
Normalerweise Abbau während laufender Wintersaison, sobald genug technischer Schnee liegt:
-> Ab Januar: tagsüber alle bei Martegnas und Monas sowie nachts auf der Talabfahrt (Piste gesperrt)
-> Die Hälfte der Lanzen bleibt auf der Talabfahrt im Januar noch stehen für Stromversorgung der Nachtspektakel-Beleuchtung.
-> Reparaturen: Meist keine im Winter und Frühling nötig, da Anlage in einwandfreiem Zustand
Planung für kommenden Winter
-> Ab Mitte/Ende März: Planungsstart für kommenden Winter; Entscheid über Neuanschaffungen und Optimierungen bei den Anlagen.
-> Ersatzmaterial: Da der Bedarf für die kommende Saison schwer vorauszusagen ist, wird erst bei Bedarf bestellt. Maschinen am Ende ihrer Lebensdauer werden bestmöglich ersetzt.
Sommer (April–August)
Wartung und grössere Arbeiten
-> Reparaturen: defekte Elektromotoren oder Austausch von Pumpen u.a.
-> Umbauten und Optimierungen: wie etwa bei Piste Fiss/Fugna (28 Lanzen wurden selber ersetzt durch 18 Turmkanonen und neue Schächte)-
-> Kontrolle und Reparatur von Schächten sowie Reinigung von Wasserfiltern und Düsen der Schneeerzeuger
Herbst (September/Oktober)
Aufbau und Inbetriebnahme
-> Ab Mitte September: Inbetriebnahme, Wiederaufbau und Testen der gesamten Anlage (Martegnas – Savognin) sowie Fehlerbehebungen, Reparaturen
Start und Ziele der Beschneiung
Meist ab Oktober (wetterabhängig), um für die Festtage optimale Bedingungen zu schaffen:
-> Zuerst so schnell wie möglich die Piste Martegnas beschneien, damit danach über den Schneeweg mit den Pistenfahrzeugen die Propellermaschinen eine Sektion weiter talabwärts aufgestellt werden können.
-> Sobald möglich, mit der Sektion weiter unten fortfahren (oft ist es jedoch lange warm)
-> Ziel: Zum ersten Wochenendbetrieb Anfang Dezember betriebsbereite Pisten von Martegnas bis Savognin.
Winter (Oktober–Dezember)
Beschneiung und Überwachung
-> Steuerung per Mobilgerät, Kontrolle aller Schneeerzeuger vor Ort (meist nachts)
-> Überwachung, Störungsbehebung und laufende Reparaturen (Schläuche, Steuerung, Stromkabel)
Pistenpflege und Schneeverteilung
-> Laufende Pistenkontrolle durch Pistenfahrzeugführer und Pistenrettung
-> Bei Bedarf Schneeumverteilung für eine gleichmässige Decke
-> Unterstützung durch Snowsat-System mit Schneetiefenmessung